Unser Real Assets-Researchteam analysiert eigene Daten für einen sektorübergreifenden Vergleich der Risiken und Renditen und filtert die Sektoren mit dem höchsten relativen Wert heraus.

Dieser Artikel beschäftigt sich mit folgenden Themen:

  • Erste Chancen bei Immobilienaktien 
  • Absolute Return: Aktien schließen allmählich zu Anleihen auf
  • Die Renditedivergenz zwischen Europa und Großbritannien

Ein generelles Problem für Real Asset-Anleger ist das Fehlen einer transparenten Preishistorie, um anhand dieser Daten Risiken, Renditen und die entsprechenden Treiber analysieren zu können. Die meisten Unternehmen geben Transaktionsdaten nicht preis und erwerben zusätzliche Daten von externen Anbietern, die nicht unbedingt einen umfassenden Marktüberblick haben. Aus diesem Grund haben wir unsere eigene Bewertungsmethode entwickelt, die auf einem einheitlichen und zukunftsorientierten Ansatz basiert (siehe dazu Die Aviva Investors-Bewertungsmethode für Real Assets).

Unser Ansatz ermöglicht es uns, für jeden Sektor eine quantitative Bewertung der risikobereinigten Attraktivität vorzunehmen. Dabei untersuchen wir Zeiträume von fünf bzw. zehn Jahren oder den gesamten Lebenszyklus von Anlagen. Bei Bedarf sind aber auch andere Anlagehorizonte möglich. In dieser Analyse betrachten wir, wie bei vielen Anlegern üblich, einen Zeitraum von fünf Jahren.

Wie bei allen idiosynkratischen Anlageklassen können die Renditen in Abhängigkeit von der Qualität der Anlageverwaltung sowie den spezifischen Merkmalen der Anlagestrategien und der einzelnen Anlagen deutlich niedriger oder höher ausfallen als dargestellt. Dennoch bietet unser Ansatz unseres Erachten neue Einblicke und bringt Transparenz in das sich verändernde Potenzial der privaten Märkte.

Zusammenfassung

In den vergangenen sechs Monaten ist der Absolute Return in den meisten Sektoren gestiegen.  Die Risiken entwickeln sich zwar unterschiedlich, aber das Gesamtrisiko ist allgemein gesunken.

Seit einiger Zeit bieten Anleihemärkte deutlich bessere Anlagechancen als Aktienmärkte. Allmählich wandelt sich jedoch das Bild, denn auf Basis des Absolute Return schließen manche Aktienanlagen inzwischen zu festverzinslichen Wertpapieren auf. Grund dafür sind die besseren Aussichten, insbesondere im Immobiliensegment.

Britische Aktien schneiden besser ab als ihre europäischen Pendants

Betrachten wir die Märkte unter dem Gesichtspunkt des Absolute Returns, schneiden Aktienanlagen in Großbritannien besser ab als ihre europäischen Pendants. Angesichts der schlechteren Wachstumsaussichten für Großbritannien mag dies widersprüchlich erscheinen. Berücksichtigt man indes die aktuellen risikolosen Zinssätze, verhält es sich genau umgekehrt. So wird das Bild dann wieder stimmiger.

Trotz dieser Veränderungen sind Anleihen unseres Erachtens nach wie vor attraktiv. Dies liegt nicht zuletzt auch an den Zinserhöhungen an vielen Märkten, und wir gehen nicht davon aus, dass das Zinsniveau in naher Zukunft wieder stark absinken wird.

In Großbritannien sind Schuldtitel mit variablen Zinsen in den Bereichen Infrastruktur und Immobilien derzeit attraktiver als Papiere mit festen Zinssätzen (Abbildung 2). Grund dafür ist die inverse Zinskurve. Kurzfristige Anleihen weisen also höhere Renditen auf als langfristige, und damit liegt der Ausgangspunkt für variabel verzinste Schuldtitel höher. Dies deckt sich mit unseren eigenen Erfahrungen: Anleger bezahlen lieber insgesamt höhere Zinsen für kürzer laufende Anleihen als sich auf dem aktuellen Niveau längerfristig zu verpflichten.

Anleihemärkte reagieren sehr schnell auf Veränderungen im Zinsumfeld, an den Aktienmärkten verläuft die Neubewertung langsamer

Auf Veränderungen im Zinsumfeld reagieren Anleihemärkte sehr schnell, sodass die Neubewertung infolge der Marktbewegungen rasch vollzogen war. Aktienmärkten hingegen brauchen dafür länger. Grob gesagt ist die Neubewertung nach den Marktturbulenzen jedoch weitgehend abgeschlossen.

Insgesamt entsprachen die Marktreaktionen auf die jüngsten Turbulenzen und Negativschlagzeilen den Erwartungen. Da sich keine weiteren Entwicklungen abzeichnen, geht man nun allmählich wieder zur Tagesordnung über. Es bestehen zwar zweifelsohne weiterhin Risiken, aber insgesamt hellen sich die Perspektiven durchgängig auf.

Relative Return in den verschiedenen Sektoren

Immobilien

Der Immobilienmarkt hat in den vergangenen 18 Monaten eine starke Neubewertung erlebt, aber die Aussichten werden besser. Parallel zu der Neubewertung bewegte sich auch die Volatilität auf hohem Niveau. Unsere Modelle deuten darauf hin, dass diese Volatilität nachlässt, da das Ende der Zinsstraffungszyklen vieler Notenbanken allmählich eingepreist wird.

Immobilienaktien seit Dezember 2022 im Aufwind

Im Dezember 2022 wären Immobilien noch im rechten unteren Bereich von Abbildung 1 angesiedelt gewesen, aber seitdem hat sich die Lage erheblich verbessert. Die erwarteten absoluten Renditen sind kräftig gestiegen, wobei europäische Anlagen stärker zugelegt haben als britische und sich auch weniger volatil präsentieren.

Im Hinblick auf den Absolute Return hat Großbritannien mehr zu bieten als Europa, auch wenn sich die Lücke langsam schließt. Im Gegensatz zu Europa war die Neubewertung in Großbritannien rasch vollzogen, sodass die Briten jetzt die Nase vorn haben. Auch hier muss jedoch der Unterschied bei den risikofreien Zinsen berücksichtigt werden.

Im Immobiliensektor bieten Anleihen nach wie vor deutlich höhere Renditen je Risikoeinheit als Aktien. Grund dafür sind die höheren Staatsanleiherenditen und Illiquiditätsprämien. Auch die jüngste Neubewertung bei Aktien spiegelt sich darin wider (Abbildung 2). Britische Immobilienanleihen bieten höhere Renditen als ihre europäischen Pendants, was vor allem auf die höheren Renditen britischer Staatsanleihen zurückzuführen ist. Berücksichtigt man jedoch die aktuellen risikofreien Zinssätze, ergibt sich ein anderes Bild.

Infrastruktur

Die von uns beobachteten Aktien aus dem Bereich Infrastruktur lassen sich in zwei Kategorien einteilen – erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie sowie typischerweise risikoreichere Sektoren wie Glasfaser und Energieerzeugung aus Abfall.

Die Erneuerbaren waren in den letzten sechs Monaten relativ stabil. Die erwarteten Renditen sind zwar in beiden Kategorien gestiegen, gleiches gilt aber auch für die Risiken. Insgesamt ergibt sich somit ein gemischtes Bild.

Im Infrastruktursektor ohne erneuerbare Energien, also bei Glasfaser und Energieerzeugung aus Abfall, ist der Absolute Return deutlich höher, um den höheren Risiken Rechnung zu tragen

Im Infrastruktursektor ohne erneuerbare Energien, also bei Glasfaser und Energieerzeugung aus Abfall, ist der Absolute Return deutlich höher, um den Risiken in Verbindung mit höheren operativen Anforderungen, Wettbewerb und Renditeschwankungen Rechnung zu tragen. In Abbildung 1 sind die beiden Sektoren im oberen rechten Bereich angesiedelt, was auf ein hohes Risiko und einen hohen Absolute Return hindeutet. In diesen Sektoren sind die Renditen in der ersten Jahreshälfte 2023 leicht gestiegen, wobei das Risiko im Bereich Glasfaser aufgrund des intensiveren Wettbewerbs in einem reiferen Markt erheblich zugenommen hat.

Im Bereich Infrastruktur bieten Anleihen nach wie vor höhere Renditen je Risikoeinheit als Aktien und haben in den letzten sechs Monaten weiter zugelegt. Die Ausfallquoten sind in diesem Sektor bislang gering, was sich in unseren Modellen im Gesamtrisiko entsprechend widerspiegelt.

Long Income-Immobilien

Die Renditen sind in den meisten Sektoren gestiegen, und das Risiko ist überall gesunken, sodass sich die Rendite je Risikoeinheit durchgängig verbessert hat. Einer der Gründe für den Anstieg der kurzfristigen Renditen in einigen Bereichen ist die Neukalibrierung der Immobilienrenditen im Hinblick auf das erwartete Wachstum der – oft inflationsgebundenen – Mieten.

Die Renditen sind in den meisten Sektoren gestiegen, und das Risiko ist überall gesunken

Im Vergleich dürften britische Long-Lease-Objekte mehr Renditepotenzial besitzen als ihre europäischen Pendants, sodass sich die Lücke zwischen den erwarteten Renditen für diese beiden Märkte schließt. In Abbildung 2 ist dies gut erkennbar, denn die Rendite-Risiko-Balken liegen jetzt relativ nah beieinander.

Anlagen in Long-Income-Immobilien sind naturgemäß langfristiger Natur. Die längerfristigen Aussichten haben sich seit Jahresbeginn verbessert, mit steigender Tendenz bei den Renditen und sinkender Tendenz bei den Risiken.

Private Corporate Debt

Die Kreditaufnahme ist in Großbritannien im Jahr 2023 deutlich gesunken und konzentriert sich vor allem auf Refinanzierungen. Teilweise bemühen sich Kreditnehmer auch um kürzere Laufzeiten oder variable Zinsen.

Die Kreditaufnahme in Großbritannien ist 2023 deutlich gesunken

Mit Blick in die Zukunft sind die Renditen bei Privatplatzierungen in Großbritannien kurzfristig gesunken.

Die Renditne bei britischen Mittelstandskrediten sind hingegen gestiegen, während es in diesem Segment in Europa kaum Bewegung gab. Gemessen an den Renditen bzw. den Renditen je Risikoeinheit aus Mittelstandskrediten hat sich der Abstand zwischen diesen beiden Regionen vergrößert (Abbildung 2). Die Haupteinflussfaktoren sind Diskrepanzen bei Zinsniveau, Margen und Bearbeitungsgebühren (Upfront Fees).

Abbildung 1: Risiko gegenüber erwarteter Rendite, 5 Jahre (Prozent)

Quelle: Aviva Investors. Stand: 30. Juni 2023.

Abbildung 2: Risiko/Rendite - Rendite je Risikoeinheit

Hinweis: Hervorhebung = Anleihebereich
Quelle: Aviva Investors. Stand: 30. Juni 2023.

Fazit

  • Nachdem manche makroökonomischen Bedenken allmählich etwas in den Hintergrund treten, haben sich die Aussichten für die in unserem Modell berücksichtigten Sektoren verbessert.
  • Auch der Ausblick für die Aktienmärkte hellt sich unseres Erachtens auf, während die Anleihemärkte in einem Umfeld erhöhter Zinsen stabil bleiben.
  • Insgesamt erwarten wir mit dem Übergang in das Jahr 2024 weitere Verbesserungen gegenüber 2023, das geprägt war von Volatilität und Ungewissheit.

Die Aviva Investors-Bewertungsmethode für Real Assets

Wir haben eine Methode entwickelt, um die verschiedenen Real Asset-Bereiche im Hinblick auf Rendite und Risiko einheitlich und zukunftsorientiert miteinander zu vergleichen. Auf Basis des Cashflow untersuchen wir dabei die Fundamentaldaten für jeden Sektor, um zu verstehen, welche Faktoren die Wertentwicklung beeinflussen. Einige der von uns zugrunde gelegten Annahmen wie Inflation und Zinssätze sind für mehrere Sektoren relevant, während andere, wie die Kreditausfall- und Erlösquoten, nur bestimmte Sektoren betreffen.

Für jeden Faktor werden mehrere Prognosen erstellt, die auf Sektorebene in das Cashflow-Modell einfließen. Mehrere Simulationen ergeben dann unter Berücksichtigung relevanter Faktoren eine Spanne potenzieller Renditen. Das Mittel aus dieser Verteilung ist die erwartete Rendite. Darüber hinaus berechnen wir die Standardabweichung für alle berechneten Renditen. Als Risikosektoren sind diejenigen Sektoren definiert, die am Ende des Haltezeitraums eine breitere Renditeverteilung aufweisen, während Renditevolatilität im Jahresvergleich keine Rolle spielt. Für die meisten Kunden ist dies unseres Erachtens die wichtigste Risikomessgröße.

Unsere Methode bietet eine quantitative Bewertung der risikobereinigten Attraktivität für jeden Sektor und trägt damit der mangelnden Transparenz im Hinblick auf die Preishistorie Rechnung. Darüber hinaus können wir für jeden Sektor die wichtigsten Risikofaktoren identifizieren, um zu verstehen, inwiefern Diversifizierung nützlich sein kann. Sämtliche Faktoren, die in unsere Modelle einfließen, korrelieren miteinander. Dies gilt damit auch für die Renditen und Risiken aller Sektoren. So sind wir in der Lage, Portfolios zu erstellen und Allokationen zu optimieren und können trotz der Intransparenz des Real Asset-Marktes den Bedürfnissen zunehmend anspruchsvoller Kunden gerecht werden . 

Auf Basis der Ergebnisse dieser Bewertungsmethode können wir die Risiken und Renditen der verschiedenen Märkte miteinander vergleichen. Die Renditen können in Abhängigkeit von der Qualität der Anlageverwaltung und den spezifischen Merkmalen der Anlagestrategien und der einzelnen Anlagen deutlich niedriger oder höher ausfallen als dargestellt.

Annahmen

Unsere Analyse basiert auf dem britischen SONIA, dem europäischen Euribor, den Renditen britischer Staatsanleihen und deutscher Bundesanleihen, Inflationsannahmen, Ausfallquoten bei Unternehmensanleihen, Leerstandquoten für Immobilien sowie weiteren sektorspezifischen Annahmen.

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