In unserer letzten eingehenden Analyse zu Real Assets untersucht unser Real-Assets-Researchteam mittels Datenanalyse, wie sich Veränderungen im Wirtschaftsumfeld auf die Renditen bei Private Debt auswirken.
Dieser Artikel beschäftigt sich mit folgenden Themen:
- Auswirkungen des aktuellen Makroumfelds auf die Illiquiditätsprämien an den privaten Märkten
- Treiber von Transaktionsaktivität und Nachfrage am Debt-Markt in den letzten 12 Monaten
- Potenzial in den verschiedenen Anlageklassen des Private-Debt-Marktes
„Es ist ein kapitaler Fehler zu theoretisieren, ehe man Daten hat. Unvernünftigerweise verdreht man dann die Fakten, damit sie zu den Theorien passen, anstatt seine Theorien den Fakten anzupassen ...“ Das sagte Meisterdetektiv Sherlock Holmes in der Geschichte „Ein Skandal in Böhmen“ von Sir Arthur Conan Doyle.
Es dürfte niemanden überraschen, dass wir das im Real-Assets-Team genauso sehen. Korrekte und aktuelle Daten sind das A und O als Grundlage für Anlageentscheidungen. Als großer Kreditgeber an den privaten Märkten hat Aviva Zugang zu einem eigenen Datenpool, den wir nutzen können, um Markttrends zu analysieren und unsere Strategien daran auszurichten.
An den Private-Debt-Märkten sind Illiquiditätsprämien ein zentraler Faktor in der Relative-Value-Analyse zwischen verschiedenen Segmenten dieses Marktes sowie im Vergleich zu den Public-Debt-Märkten, also den Anleihemärkten. Für Anleger, die einen langen Atem haben und langfristig Kapital bereitstellen können, stellen diese Prämien das Potenzial an zusätzlicher Rendite dar, die sie mit Private-Debt-Investments erwirtschaften können. Multi-Asset- oder opportunistischen Anlegern bietet sich damit die Möglichkeit, von Relative-Value-Chancen zwischen Private-Debt-Segmenten sowie von Preisverzerrungen gegenüber den Public-Debt-Märkten zu profitieren.
Unser Datenpool und unserer Methode zur Berechnung der Illiquiditätsprämie
Unser Datenpool umfasst mehr als 2.000 Transaktionen über einen Zeitraum von 25 Jahren. Darin sind ausschließlich Investment-Grade-Deals in Pfund Sterling und Euro enthalten. Der Großteil des Datenpools entfällt auf interne Transaktionen, aber auch externe Transaktionen, für die uns Preisdaten vorliegen, sind darin enthalten.
Die damit berechneten Illiquiditätsprämien bilden den Spread zum relevantesten Public-Debt-Referenzindex (ICE BofAML Index-Daten) zum Zeitpunkt der Transaktion ab und sind in Abbildung 1 als Punkte dargestellt. Die Illiquiditätsprämie entspricht einem zusätzlichen (nicht immer positiven) Renditeabstand im Vergleich zu Public-Debt-Märkten als Ausgleich für höhere Illiquidität und/oder eine komplexere Risikosituation.
In Abbildung 1 ist auch die durchschnittliche Illiquiditätsprämie für das konkrete Kalenderjahr bei Gleichgewichtung der zugrunde liegenden Transaktionsdaten dargestellt.
Dazu vor allem der Risikohinweis, dass die berechneten Illiquiditätsprämien für Ratingbänder (und nicht einzelne Ratingstufen) bestimmt werden und Diskrepanzen bei Duration/Laufzeit zu den relevanten Public-Debt-Referenzindizes unberücksichtigt bleiben. Die gezeigten Illiquiditätsprämien sind daher rein indikativ.
Abbildung 1 zeigt, dass die Illiquiditätsprämien bis Ende 2023 über alle Private-Debt-Segmente gestiegen sind. Befördert haben diesen Trend unter anderem die Erwartung, dass der Zinserhöhungszyklus der Zentralbanken in den Industrieländern seinem Ende entgegengeht, und der wachsende Optimismus im Hinblick auf eine „weiche Landung“, der zu einem Absinken der Spreads bei vergleichbaren Anleihen geführt hat.
Daran wird auch deutlich, dass die Illiquiditätsprämien bei Real Estate Debt gegen Ende 2023 steigende Tendenz zeigten, parallel zu Anzeichen für Licht am Ende des Tunnels bei den Erwartungen hinsichtlich der zugrunde liegenden Immobilienbewertungen, insbesondere für thematisch resiliente Segmente wie Wohn- und Industrieimmobilien.
Abbildung 1: Illiquidity premia in private debt to December 2023 (basis points)
Past performance is not a reliable indicator of future returns.
Note: For illustrative purposes only. The value of an investment can go down as well as up and there is no guarantee that the forecasted return will be achieved.
Source: Aviva Investors, ICE BofAML index. Data as of December 31, 2023.
Diese Daten zeigen uns vor allem Folgendes:
- Illiquiditätsprämien sind nicht statisch und verändern sich über den Marktzyklus.
- Die Illiquiditätsprämien entwickeln sich in den verschiedenen Private-Debt-Segmenten im Laufe eines Marktzyklus unterschiedlich. Jedes Segment hat seine eigene Dynamik.
Ein wichtiger Faktor dabei sind die „trägen“ Spreads in Private-Debt-Segmenten, die nur langsam auf die Entwicklung bei Anleihen reagieren.
- Im Bereich Real Estate Debt bewegen sich die Spreads in der Regel am langsamsten. Erfahrungsgemäß korrelieren die Illiquiditätsprämien in diesem Bereich daher mit dem Immobilienzyklus. Wenn die Immobilienbewertungen sinken, fallen auch die Illiquiditätsprämien, und bei wieder steigenden Bewertungen erholen sich die Prämien ebenso.
- Im Bereich Infrastructure Debt sind die Spreads leicht träge und folgen den Public-Debt-Märkten nur allmählich.
- Im Bereich Private Corporate Debt ist die Trägheit der Spreads am geringsten. In diesem Segment vollzieht sich die Anpassung an das Spreadniveau bei Anleihen am schnellsten. Langfristig dürften sich die Illiquiditätsprämien also tendenziell in einer engeren Spanne bewegen. So sind auch die höchsten Illiquiditätsprämien in Phasen höherer Marktvolatilität, insbesondere bei geringer Verfügbarkeit von Kapital aus traditionellen Finanzierungsquellen, zu beobachten.
Aufgrund dieser Faktoren entwickelt sich die Bewertung in den verschiedenen Private-Debt-Segmenten im Laufe des Konjunkturzyklus unterschiedlich, wie aus Abbildung 2 ersichtlich wird. Daher kann ein Multi-Asset-Ansatz bei Private Debt sinnvoll sein, können Anleger damit doch die aus den Bewertungsunterschieden zwischen den verschiedenen Segmenten resultierenden Anlagechancen nutzen.
Abbildung 2: Pricing dynamics across private debt sectors
Private debt sector | Private debt spread dynamics | Market stress/rising public spreads |
---|---|---|
Real estate debt | Most sticky/slowest to reprice versus public debt | Illiquidity premia typically squeezed the most |
Infrastructure debt | Moderately sticky versus public debt | Illiquidity premia typically squeezed |
Private corporate debt and structured finance | Least sticky/quick to reprice versus public debt | Illiquidity premia can increase during periods of market stress |
Past performance is not a reliable indicator of future returns.
Note: For illustrative purposes only.
Source: Aviva Investors, ICE BofAML index. Data as of December 31, 2023.
Angesichts der eingeschränkten Finanzierungsmöglichkeiten aus traditionelleren Quellen gehen wird für die Private-Debt-Segmente in den kommenden Monaten weiterhin von attraktiven Illiquiditätsprämien aus. Über das gesamte Private-Debt-Spektrum sehen wir grundsätzlich attraktivere Illiquiditätsprämien bei Euro-Private-Debt, in Anbetracht der Differenz bei den risikolosen Zinssätzen zwischen Pfund Sterling und Euro aber höhere „All-in“-Renditen bei Private-Debt-Investments in Pfund Sterling.
Die Illiquiditätsprämien dürften in Segmenten wie Wohn- und Industrieimmobilien 2024 stabil bleiben
Mit Blick auf Real Estate Debt dürften die Illiquiditätsprämien in thematisch resilienten Segmenten wie Wohn- und Industrieimmobilien 2024 weiter stabil bleiben. Vorsichtig bleiben wir in Bezug auf Investments außerhalb des Premiumsegments, insbesondere bei Büroimmobilien.
Ein wichtiger Risikofaktor für Illiquiditätsprämien wäre auf kurze Sicht ein schwächeres BIP-Wachstum als angenommen oder ein unerwarteter Inflationsschub. In einem solchen Szenario käme es wahrscheinlich zu einer grundlegenden Neubewertung des Kreditrisikos, die sich bei Private Debt in der Regel langsamer vollzieht als an den Public-Debt-Märkten.1
Infrastructure Debt
Kreditnehmer stellen sich auf längerfristig höhere Zinsen ein
Bei Infrastructure Debt bewegte sich die Deal-Aktivität 2023 auf einem höheren Niveau als manche erwartet hatten. Im Vereinigten Königreich wurden Transaktionen in einem Gesamtvolumen von 28 Mrd. GBP abgeschlossen. Doch damit belegte das Land überraschenderweise nur Platz 2 hinter Deutschland mit einem Deal-Volumen von rund 32 Mrd. EUR. Auch in Spanien herrschte reges Treiben am Private-Debt-Markt, vor allem im Bereich Solarenergie. 93 Transaktionen im Gesamtvolumen von 14 Mrd. EUR (und damit in etwa dieselbe Anzahl von Transaktionen wie im Vereinigten Königreich) wurden dort abgeschlossen.
Während attraktive Industrie- und Wohnimmobilien von günstigen Krediten profitierten, wurde eine Finanzierung bei weniger attraktiven Objekten schwierig
2024 wird der Schwerpunkt aller Voraussicht nach weiterhin auf der Energiewende und digitaler Infrastruktur liegen, und auch wenn erhebliche Investitionen im Verkehrssektor zu erwarten sind, wird dieser nicht das Marktgeschehen bestimmen. Wir gehen allerdings von steigender Deal-Aktivität aus. Die Bewertungen im Infrastructure-Equity-Segment stabilisieren sich nach einer verzögerten Korrektur infolge des Anstiegs der risikolosen Zinsen allmählich, und es manifestiert sich am Markt zunehmend eine Preisanpassung.
Kreditnehmer stellen sich auf längerfristig höhere Zinsen ein, geben ihre Zurückhaltung auf und refinanzieren sich wieder verstärkt. Bei Private Debt zur Finanzierung von Green Assets sind die Preisspielräume weiterhin eng gesteckt, sodass sich die Illiquiditätsprämien für Relative-Value-Anleger in Grenzen halten. Am deutlichsten wird dies im Segment Erneuerbare Energien, in dem Banken in der Finanzierung nach wie vor sehr aktiv sind und institutionelle Anleger als Kreditgeber wegen der geringen Preisspielräume nur eine untergeordnete Rolle spielen. Da der Wachstumstrend bei Erneuerbaren Energien wohl weiter anhalten wird, insbesondere mit dem Kapazitätsausbau bei Offshore-Windenergie im Vereinigten Königreich, wird der Finanzierungsbedarf zwangsläufig steigen und nur mit einer Kombination aus Bankkrediten und von institutionellen Anlegern bereitgestelltem Fremdkapital zu decken sein.2
Real Estate Debt
Zweigeteilter Markt: Premiumsegment weiterhin eine Klasse für sich
Über weite Strecken des 1. Halbjahres 2023 herrschte die Erwartung, dass der Real-Estate-Debt-Markt in der zweiten Jahreshälfte wieder anziehen und das Vertrauen an den Markt zurückkehren würde. Diese Hoffnung hat sich jedoch nicht erfüllt. Stattdessen blieb der Markt in dem normalerweise von hoher Aktivität geprägten vierten Quartal weiterhin ruhig wie in den Vorquartalen. Auch wenn das Thema Refinanzierungslücke weiterhin eine große Rolle spielt, hat dies noch nicht zu einer Flut von Refinanzierungen oder Verkäufen geführt, weil die Kreditnehmer unter Druck stehen. Gegen Jahresende sorgte die wachsende Zuversicht, dass die Inflation ihren Höhepunkt erreicht hat, für einen relativ starken Zinsrückgang (der sich in den ersten Wochen des Jahres 2024 allerdings zum Großteil wieder ins Gegenteil verkehrte).
Der Schwerpunkt wird dürfte weiterhin auf der Energiewende und digitaler Infrastruktur liegen
Im Vereinigten Königreich verlangsamte sich die Bewertungsanpassung in der zweiten Jahreshälfte, was für eine gewisse Stabilisierung sorgte. Die in verschiedenen Segmenten (insbesondere bei Büroimmobilien) zu beobachtende Zweiteilung des Marktes in ein Premiumsegment und Nicht-Premium-Objekte prägt jedoch nach wie vor das Bild und wird weiterhin ein Thema bleiben.
Bei den Kreditgebern bestanden große Unterschiede in der Risikoneigung: Manche waren klar risikoavers eingestellt und im Rückzugsmodus, andere konzentrierten sich ganz auf ihre Bestandskunden und wieder andere suchten proaktiv nach Finanzierungsoptionen. Damit bot sich auch bei den Spreads ein gemischtes Bild. Während für attraktive Objekte zur industriellen Nutzung oder zur Nutzung als Wohnimmobilien günstig Kredite zu bekommen waren, wurde eine entsprechende Finanzierung bei weniger attraktiven Objekten nur zu hohen Kosten angeboten. Angesichts dieses Marktumfelds und der starken Bewertungsunterschiede sehen wir hier mit Blick in die Zukunft durchaus Potenzial.3
Private Corporate Debt
Höhere Renditen im Vereinigten Königreich, stärkerer Deal Flow in Europa
Am Markt für Private Corporate Debt sind Refinanzierungen nach wie vor am interessantesten. Opportunitäten halten sich nach wie vor stark in Grenzen. Grund dafür sind die in vielen Sektoren zurückgefahrenen Investitionsprogramme.
Renditen am Private-Debt-Markt im Vereinigten Königreich weiterhin wesentlich höher als in Europa
Die Renditen am Private-Debt-Markt sind im Vereinigten Königreich nach wie vor wesentlich höher als in Europa. Dies ist vor allem auf die Diskrepanz bei den Renditen von Staatsanleihen zurückzuführen. In der Folge fließt verstärkt Kapital in europäische Opportunitäten. Aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen hat sich das Insolvenzrisiko erhöht, denn den Unternehmen fehlt der finanzielle Spielraum. In einigen Teilsegmenten ist eine zunehmende Ausweitung der Spreads zu beobachten, insbesondere unterhalb des Investment-Grade-Bereichs.
Strukturierte Finanzierungen
Potenzial in Schwellenländern
Potenzial im Bereich Strukturierte Finanzierungen besteht weiterhin auch in Form von Opportunitäten in Schwellenländern mit risikomindernd wirkenden staatlichen Garantien. Trotz anhaltend hoher Zinsen und der zu beobachtenden Spreadausweitung fehlt es in Schwellenländern nach wie vor an wesentlicher Infrastruktur. Damit steigt das Angebot.
Hinweis: Die berechneten Illiquiditätsprämien basieren auf hausinternen Informationen zu Transaktionen bei Aviva Investors. Es gibt verschiedene Methoden zur Berechnung der Illiquiditätsprämie. Dabei ist zu beachten, dass die gezeigten Illiquiditätsprämien im Vergleich zu einer breiten Datenbasis relevanter Public-Debt-Referenzindizes ermittelt werden, für Ratingbänder (und nicht einzelne Ratingstufen) bestimmt werden und Diskrepanzen bei Duration/Laufzeit unberücksichtigt bleiben.