Francois de Bruin erläutert, wie „Clubs“ Netzwerkeffekte verstärken, die Resilienz eines Unternehmen erhöhen und es für Anleger attraktiver machen können.
Dieser Artikel beschäftigt sich mit folgenden Themen:
- Wie wichtig es für die Kundenbindung ist, Netzwerkeffekte zu schaffen und abzusichern
- Wie „Club“-Effekte dazu beitragen
- Offene und exklusive Clubs im Vergleich
Während manche Clubs allen offenstehen, geben sich andere einen exklusiven Anstrich. Geld, Beziehungen und sozialer Status entscheiden darüber, wer aufgenommen wird, sodass die meisten Menschen vor vornherein durch das Raster fallen. Und auch wenn man mit der Mitgliedschaft in beiden Fällen von einem größeren Netzwerk profitiert, beispielsweise bei der Suche nach einem Tennispartner oder Räumlichkeiten für bestimmte Aktivitäten, haben exklusive Clubs die zusätzliche Anziehungskraft von Statussymbolen. Der beschränkte Zugang macht diese Clubs attraktiver, weil die Exklusivität das soziale Standing der Mitglieder stärkt. Je exklusiver der Club, desto prestigeträchtiger.
Interessant für Anleger ist dies, weil manche Marken diesen Effekt zu ihrem Vorteil nutzen können. Im Rahmen unserer Global Equity Endurance-Strategie versuchen wir, Unternehmen herauszufiltern, die von „Netzwerkeffekten“ profitieren und damit nicht nur länger am Markt bestehen, sondern auch größeres Wachstumspotenzial haben: Je stärker der Netzwerkeffekt, desto größer der Wert der Produkte und Dienstleistungen des Unternehmens für den einzelnen Kunden. Wohldosiert können Netzwerkeffekte einem Unternehmen große Wettbewerbsvorteile und damit auch Preissetzungsmacht verschaffen (siehe Supercharge me: The power of network effects).
Kunden-Clubs oder -Communities sind als Netzwerke weit mehr als eine Gruppe heterogener Menschen, die dieselbe Marke kaufen. Sie sorgen für Kundenbindung und erhöhen die Hemmschwelle für einen Wechsel. Unternehmen, die ihren Kunden eine Clubmitgliedschaft anbieten, können von diesen Netzwerkeffekten profitieren und sich damit dauerhafte Wettbewerbsvorteile sichern.
Wie Sportvereine sind manche auf eine breiten Kundenbasis und damit Größenvorteile ausgerichtet, während andere auf das Prestige von Exklusivität setzen. In diesem Beitrag wollen wir uns mit dem Einzelhändler Costco und dem Sportwagenhersteller Ferrari sowohl den einen als auch den anderen Typus genauer ansehen.
Costco: Größenvorteile durch Club-Effekte
Netzwerkeffekte binden Kunden über Produkte, da der Wert für den Kunden mit der Ausweitung des Netzwerks um weitere Nutzer exponentiell steigt. Aber um kräftig zu wachsen und langfristig am Markt zu bestehen, müssen Unternehmen Mechanismen entwickeln, die diese Effekte zusätzlich verstärken und absichern.
So können sie beispielsweise die Hürden für einen Wechsel dadurch erhöhen, dass sie ihren Kunden besondere Vorteile bieten, die einer Abwanderung entgegenwirken. Je attraktiver diese Vorteile sind, desto schwerer wird es Kunden fallen, das Netzwerk zu verlassen. Dies wird mitunter auch als der „Hotel California“-Effekt bezeichnet. In dem Eagles-Song heißt es: „You can check out any time you like, but you can never leave“.1
Sehen wir uns das am Beispiel von Costco an. Das Geschäftsmodell des Unternehmens basiert darauf, Kunden zu binden, indem sie bei Costco Qualitätsprodukte zu niedrigeren Preisen als bei der Konkurrenz kaufen können. So kosten die Hot Dogs in den Costco-Supermärkten 1,50 USD und haben damit immer noch denselben Preis wie im Jahr 1985.2
Mit wachsender Kundenzahl steigt die Einkaufsmacht von Costco. Das Unternehmen kann sich so im Einkauf noch günstigere Preise sichern
Costco profitiert also insofern von einem Netzwerkeffekt, als die Einkaufsmacht des Unternehmens mit wachsender Kundenzahl steigt und Costco sich so im Einkauf noch günstigere Preise sichern kann. Dass Costco die Anzahl der Produkte in seiner Angebotspalette bewusst begrenzt, trägt ebenfalls zur Festigung bei.
Diese Effekte werden außerdem dadurch abgesichert, dass das Unternehmen die Gewinnmargen niedrig hält und somit seine Größenvorteile zum Teil an seine Kunden weitergibt. So entsteht ein positiver Rückkopplungseffekt, indem die Mitglieder des Netzwerks von der Ausweitung des Netzwerks und steigenden Absatzzahlen profitieren.
Costco stärkt sein Netzwerk aber auch dadurch, dass es durch einen Club-Effekt die Kosten für einen Wechsel höherschraubt: Kunden profitieren gegen eine Mitgliedsgebühr von 60 USD pro Jahr von den Großhandelspreisen. Damit steigert Costco nicht nur den Unternehmensgewinn, sondern bindet auch Mitglieder, die nicht auf ihre Vorteile verzichten wollen, wenn sie einmal bezahlt haben. Sie wollen möglichst viel für ihr Geld bekommen, haben also einen Anreiz, so viel wie möglich bei Costco zu kaufen, was dem Unternehmen zusätzlichen Umsatz bringt. Im Durchschnitt geben Kunden alle vierzehn Tage rund 100 USD bei Costco aus. Das sind über 3.000 USD pro Jahr.3,4
Ferrari: ein hochexklusiver Club
Am anderen Rand des Spektrums ist eine exklusivere Art von Club angesiedelt: das Netzwerk der Ferrari-Besitzer. Wie bei allen Luxusmarken beruht das Prestige von Ferrari auf dem Veblen-Effekt, benannt nach dem US-Volkswirt Thorstein Veblen. Damit wird das Phänomen beschrieben, dass sich die Nachfrage trotz steigender Preise erhöht, was in scheinbarem Widerspruch zum klassischen fallenden Verlauf der Nachfragekurve steht. Ein Ferrari hat gerade deswegen einen besonderen Nimbus, weil diese Autos sehr teuer sind und daher eine besondere Strahlkraft als Statussymbol haben.5
Der Veblen-Effekt ist bei der Nachfrage nach einer ganzen Reihe von Luxusgütern zu beobachten, von Wein über Uhren bis hin zu Handtaschen. Ferrari ist jedoch insofern ein besonderer Fall, als das Unternehmen sogar innerhalb des Kreises von Kunden, die sich diese Autos leisten können, ein exklusives Netzwerk geschaffen hat. Von Anfang an hat Firmengründer Enzo Ferrari die Devise ausgegeben: „Wir werden immer ein Auto weniger produzieren, als am Markt nachgefragt wird.“
Ein Kernelement der Ferrari-Strategie ist es, durch sorgfältige Auswahl seiner Kunden noch mehr an Prestige zu gewinnen
Ein Kernelement der Ferrari-Strategie ist es, durch sorgfältige Auswahl seiner Kunden noch mehr an Prestige zu gewinnen. Dabei wird besonders darauf geachtet, dass Kunden eine Leidenschaft für die Marke und die Markentradition teilen.6 Allein einen Platz auf der Warteliste zu bekommen, kann schon Jahre dauern, und selbst dann kann die Wartezeit bei einigen Modellen noch mehr als drei Jahre betragen.7 Neukunden werden zudem zunächst Einstiegsmodelle angeboten, während die exklusiveren Produktlinien langjährigen Ferrari-Kunden vorbehalten sind. So wurden 2023 knapp 74 Prozent aller neuen Ferraris an Bestandskunden verkauft.8
Dieses System schützt Ferrari vor schnelllebigen Modetrends und legt die Latte für einen Wechsel sehr hoch, denn nur wenige Kunden würden leichten Herzens ein so hart erkämpftes Privileg wieder aufgeben. Gleichzeitig macht es alle Eigentümer eines Ferrari zu Markenbotschaftern, denn sowohl das Unternehmen als auch seine Kunden haben ein gemeinsames Interesse daran, das Prestige und den Wert der Autos zu erhalten.9
Die wohlüberlegte Angebotssteuerung verstärkt diesen Effekt, behält Ferrari damit doch die Kontrolle über die Preise. Mit jedem neuen Fahrzeug, das bei Ferrari vom Band läuft, kann das Unternehmen an der Preisschraube drehen, nicht nur, weil damit ein weiteres prestigeträchtiges Auto auf den Markt kommt, sondern auch, weil alle Eigentümer eines Ferrari davon profitieren; sorgt es doch dafür, dass der Wert ihrer eigenen Autos erhalten bleibt oder diese sogar noch im Wert steigen.
Während viele Netzwerkeffekte auf exponentiellem Wachstum basieren, bildet die Grundlage dieses Netzwerks der „Community“-Effekt
So entsteht ein exklusives Netzwerk. Während viele Netzwerkeffekte auf exponentiellem Wachstum basieren, nicht zuletzt dank Technologien wie Social Media, bildet die Grundlage dieses Netzwerks der „Community“-Effekt. Kunden fungieren damit kollektiv als Werbeträger für das Netzwerk und profitieren wirtschaftlich vom Erfolg des Unternehmens.10
Dies bedeutet, dass Ferrari die richtige Balance zwischen den Erwartungen der Aktionäre und Wachstumschancen einerseits und einer hinreichend niedrigen Produktion zur Wahrung seines prestigeträchtigen Exklusivstatus andererseits finden muss. Angesichts der langen Wartelisten sowie der Nachfrage an neuen Märkten wie Elektrofahrzeuge oder SUVs scheint dieser Balanceakt zwischen Exklusivität und Wachstum durchaus bewältigbar.11 So sollen bis 2030 40 Prozent des Absatzes auf Elektrofahrzeuge und weitere 40 Prozent auf Hybridmodelle entfallen, was als Restgröße nur noch einen Anteil von 20 Prozent für Verbrenner bedeutet.12 Das erste reine Elektrofahrzeug soll 2025 gebaut werden, Hybridmodelle machen bereits heute 44 Prozent des Absatzes aus. (siehe Abbildung 1).13
Abbildung 1: Percentage of unit shipments by engine type
Note: These numbers exclude the XX Programme, racing cars, one-off and pre-owned cars.
Source: Aviva Investors, Ferrari. Data as of February 22, 2024.14
Auswirkungen auf Anlagen
Durch Netzwerkeffekte profitieren Kunden vom Unternehmenserfolg, was einen selbstverstärkenden positiven Rückkopplungseffekt hat. Kunden werden dadurch oft zu den überzeugendsten Werbebotschaftern für ein Produkt oder eine Dienstleistung, was einer disruptiven Entwicklung entgegenwirkt.
Um kräftig zu wachsen und langfristig am Markt zu bestehen, müssen Unternehmen Mechanismen entwickelt, die diese Netzwerkeffekte zusätzlich verstärken und absichern.
Aber um kräftig zu wachsen und langfristig am Markt zu bestehen, müssen Unternehmen Mechanismen entwickeln, die diese Effekte zusätzlich verstärken und absichern. Wie unsere beiden Beispiele oben gezeigt haben, können einen Wechsel erschwerende Mechanismen, wie ein Club-Effekt, hier eine starke Wirkung entfalten. Anlagen in solche Unternehmen können langfristig und in allen Marktphasen beständige Renditen liefern. Deshalb sind Netzwerkeffekte eines des zentralen Elemente in der Konzeption des Ansatzes bei unserer Global Equity Endurance-Strategie. Ziel bei dieser Strategie ist ein Portfolio mit weniger Zyklizität und größerer Berechenbarkeit bei gleichzeitiger Absicherung gegen Abwärtsrisiken (siehe Five principles for performance persistence).
Natürlich verschwinden manche Clubs irgendwann mangels neuer Mitglieder von der Bildfläche. An ihre Stelle treten andere mit größerer Anziehungskraft. So ist es auch durchaus denkbar, dass Unternehmen, deren Geschäftsmodelle auf solchen Netzwerkeffekten basieren, nicht mehr innovativ genug sind oder eines Tages Probleme mit dem Balanceakt zwischen Wachstum und Exklusivität, oder zwischen einer begrenzten Angebotspalette und einem erheblichen Mehrwert für Kunden bekommen. Anleger müssen verstehen, wie ausgeprägt ein solches Profil bei einem Unternehmen ist und welches Potenzial hier besteht, um sich ein realistisches Bild von den langfristigen Perspektiven des Unternehmens zu machen.
Doch unabhängig davon, ob sie auf ein offenes oder ein exklusives Netzwerk setzen, sind Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf starken Netzwerkeffekten basiert, durchaus einen Blick wert.