Renos Booth, Isabel Gossling und Kris McPhail aus unserem Real-Estate-Long-Income-Team beleuchten den Ausblick für Objekte mit langfristigen Mietverträgen nach einer schwierigen Phase für Anleger.
Dieser Artikel beschäftigt sich mit folgenden Themen:
- Wie könnten sich für Anleger mit Interesse an langfristigen Cashflows aus langfristig vermieteten Objekten kurz vor einem Zyklustief neue Ertragschancen eröffnen?
- Welche strukturellen Veränderungen sind am Markt zu beobachten?
- Was zeigen Researchergebnisse zur relativen Wertentwicklung von Immobilien nach Mietvertragslaufzeit in Erholungsphasen?
Höhere Zinsen, makroökonomische Unsicherheit und verschiedene lokalspezifische Faktoren haben 2023 ihre Spuren am britischen und europäischen Markt für gewerblich genutzte Immobilien hinterlassen.
In der Folge war die Stimmung zurückhaltender und floss in der gesamten Region weniger Kapital in die Märkte. Im Vereinigten Königreich und in Spanien lag der Nettomittelfluss um 30 Prozent unter dem Niveau von 2022. In Märkten wie Frankreich, Spanien, Deutschland und den Niederlanden war der Rückgang (mit über 50 Prozent) sogar noch stärker.1 Kein einziger Immobilienmarkt konnte sich diesem Trend über das Gesamtjahr entziehen.
Seither hat sich der Markt etwas stabilisiert. Auf dem Weg ins zweite Quartal 2024 stellen sich Anleger nun die Frage, ob die Inflation ihren Zenit bereits erreicht hat und wie schnell sich der Ausblick für einzelne Sektoren und spezielle Mikrostandorte ändern könnte.
Vor diesem Hintergrund hat am Markt für Real Estate Long Income (RELI) ein Transformationsprozess begonnen. War der Markt bisher stark von britischen leistungsorientierten Pensionsplänen geprägt, die an langfristigen, inflationsgebundenen Erträgen aus Mietverträgen mit starken Mietern interessiert waren, rückt bei einer zunehmenden Anzahl solcher Defined Benefit (DB)-Pensionspläne jetzt die Auszahlungsphase näher. Da bei diesen Pensionsplänen damit De-Risking ansteht, ergeben sich für Anleger wie den öffentlichen Sektor oder beitragsorientierte Pensionspläne Kaufgelegenheiten am Sekundärmarkt.
In Europa sieht es etwas anders aus, da der RELI-Markt noch nicht das Reifestadium seines Pendants im Vereinigten Königreich erreicht hat. Zentrale Merkmale wie Inflationsschutz ohne Obergrenze leisteten 2023 einen Beitrag zur relativen Wertentwicklung. Doch welche anderen Faktoren werden in den kommenden Monaten Auswirkungen auf diese Märkte haben?
Im Gespräch mit unserem RELI-Team – Renos Booth (RB), Kris McPhail (KM) und Isabel Gossling (IG) – sind wir dieser Frage nachgegangen.
Wir beurteilen Sie den Ausblick für RELI angesichts der Herausforderungen, vor denen der Markt Anfang 2024 stand?
Aus meiner Sicht wird 2024 für RELI-Anleger ein Jahr, in dem sich Inventarwerte stabilisieren und hoffentlich auch wieder steigen
KM: Aus meiner Sicht wird 2024 für RELI-Anleger ein Jahr, in dem sich Inventarwerte stabilisieren und hoffentlich auch wieder steigen, bei sinkender Inflation und potenziellen Zinssenkungen im zweiten Halbjahr.
In den letzten 18 Monaten sind die RELI-Inventarwerte in Reaktion auf steigende Zinsen und sinkende Immobilienwerte stark gefallen, doch die Daten legen nahe, dass sich die Entwicklung allmählich stabilisiert. So war für den CBRE Long Income Index für das 4. Quartal 2023 eine leicht positive Gesamtrendite von 0,4 Prozent zu verzeichnen (im Vergleich zu einer Gesamtrendite von -5,2 Prozent für das Gesamtjahr).2
Mit welchen Abschlägen kann man aktuell auf dem Sekundärmarkt rechnen?
RB: Letztes Jahr haben die Abschläge am RELI-Markt eine neue Größenordnung erreicht, zum Teil weil erwartet wurde, dass die Bewertungen nachgeben, aber auch aufgrund eines gestörten Gleichgewichts bei Angebot und Nachfrage infolge der Risikoreduzierung bei DB-Pensionsplänen. Damit schlug die Stunde der Anleger, die weiterhin an attraktiven risikoadjustierten Renditen mit sicheren inflationsgebundenen Cashflows interessiert waren.
Es wird interessant sein zu sehen, in welchem Umfang mit einer Bewertungsstabilisierung am RELI-Markt die Abschläge am Sekundärmarkt schrumpfen oder ob das Ungleichgewicht bei Angebot und Nachfrage bestehen bleibt und sich weitere Gelegenheiten zum Kauf mit Abschlägen ergeben.
Wir sehen eine Reihe sehr attraktiv bewerteter Investmentchancen
IG: An bestimmten Märkten in Europa hat etwa im Juni 2023 ausgehend vom Premiumsegment eine Bewertungsstabilisierung eingesetzt. In der Folge haben sich die Finanzierungsbedingungen leicht entspannt. Aktivität und Transaktionsvolumina hielten sich jedoch in Grenzen, sodass sich die Bewertungsanpassung im zweiten Halbjahr fortsetzte. Nach wie vor sind nur wenige Transaktionen zu verzeichnen, und in manchen Märkten wie Deutschland tragen die Bewertungen dem veränderten Zinsumfeld noch nicht in vollem Umfang Rechnung.
Wegen des aktuell eher dünnen Marktes mit relativ wenigen Investoren, die neue Kapitalzusagen übernehmen, sehen wir in einer Reihe von Sektoren wie Logistik und soziale Infrastruktur einige sehr attraktiv bewertete Investmentchancen. Anleger mit der nötigen Entschlossenheit könnten davon profitieren.
Was lehrt uns die Geschichte über die Wertentwicklung von Objekten mit langfristigen Mietverträgen in Erholungsphasen?
RB: Es könnte sich lohnen, die Dinge mit etwas Abstand zu betrachten und den größeren Zusammenhang zu sehen. Unser Research-Team hat sich angesehen, wie die Erholung nach der globalen Finanzkrise aus einer Long-Income-Perspektive verlaufen ist, im Sektorvergleich und aufgeschlüsselt nach Mietvertragslaufzeiten (siehe Abbildung 1) und Qualität (siehe Abbildung 2).
Bei dieser Analyse fällt auf, wie viel besser sich längere Mietverträge bei Top-Objekten (definiert nach geschätztem Mietwert) im Vergleich zu kürzeren Vertragslaufzeiten und schwächeren Objekten ausgehend vom Zyklustief entwickelt haben. Das zieht sich durch alle Sektoren, von Einzelhandel über Lager und Büroimmobilien bis hin zu industriell genutzten Objekten, um nur einige Beispiele zu nennen.
Wir rechnen damit, dass sich die Schwere zwischen Objekten in A-Lagen und solchen in B- und C-Lagen sowie zwischen stärkeren und schwächeren Unternehmensanleihen weiter öffnet
Perspektivisch prognostizieren wir bei Immobilien derzeit eine Erholung mit „K“-förmigem Verlauf, und auch wenn die Wertentwicklung in der Vergangenheit keine Anhaltspunkte für künftige Renditen bietet, sind die historischen Daten zur Wertentwicklung in diesem Zusammenhang durchaus einen Blick wert.
Wir gehen davon aus, dass Premiumimmobilien anziehen, während schwächere Objekte abfallen, zum Teil wegen des bei höheren Zinsen höheren Refinanzierungsrisikos. Wir rechnen auch damit, dass sich die Schwere zwischen Objekten in A-Lagen und solchen in B- und C-Lagen sowie zwischen stärkeren und schwächeren Unternehmensanleihen weiter öffnet. Der Bedarf an Refinanzierungskapital ist hoch, was in manchen Fällen Schwierigkeiten bereiten dürfte.
Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Anfangsrendite bei Long Income trotz der Sicherheit von Investment-Grade-Anleihen und der Vorteile inflationsgebundener Cashflows höher ist als bei Core-Immobilien. Dies ist vor dem Hintergrund der aktuellen Risikosituation im Core-Segment, der Cashflow-Duration und der Tatsache zu sehen, dass potenzielle Käufer auf Wertsteigerungen setzen.
Auch wenn die Inflation allmählich wieder sinkt, gibt es immer noch eine Reihe unbekannter Makrofaktoren, die hier zum Tragen kommen könnten, sodass durchaus noch mit der einen oder anderen unliebsamen Überraschung zu rechnen ist. Long Income sollten dagegen geschützt sein.
Abbildung 1: Performance by lease term (long versus short)
Past performance is not a reliable indicator of future performance.
Note: Base = 100. Long versus short lease is defined as the differential between the upper and lower quartile each quarter. It does not include the average term.
Source: Aviva Investors, MSCI PAS, Quarterly Digest, Q2 2023.
Abbildung 2: Performance by quality (estimated rental value/sq. ft.) – high versus low
Past performance is not a reliable indicator of future performance.
Note: Base = 100. High versus low quality is defined as the differential between the upper and lower quartile each quarter. It does not include the average performance quality.
Source: Aviva Investors, MSCI PAS, Quarterly Digest, Q2 2023.
Wie haben sich die höheren Zinsen auf die Pipeline ausgewirkt? Und welche anderen Aspekte sind für Long-Income-Anleger im aktuellen Umfeld wesentlich?
RB: Mit der hohen Inflation sind viele Projekte unrentabler geworden. Damit wurde das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage gestört. Mit Blick auf die bereits zu beobachtende Bewertungsanpassung und die Markterwartung eines Renditerückgangs bei britischen Staatsanleihen in der zweiten Jahreshälfte dürfte sich die Entwicklungstätigkeit wieder intensivieren und damit auch das Angebot ausweiten.
Neue Projekte sind auch von Seiten der Universitäten zu erwarten, bei denen Renovierungsbedarf in Bezug auf die akademischen Einrichtungen und Studentenwohnheime besteht, sowie von Seiten der britischen Kommunen, die unter Druck stehen, ihren Wohnungsbestand zu erhöhen. In diesen Bereichen kommt es ganz besonders darauf an, gezielt auszuwählen.
Die Frage nach der Sicherheit der Mieter spielt immer eine wichtige Rolle, in einem von Unsicherheit geprägten Umfeld rückt sie jedoch noch weiter in den Vordergrund. Dank unseres konstanten, systematischen Fokus auf Mieterqualität hatten wir in den über 20 Jahren im Long-Income-Geschäft trotz einiger wirtschaftlich schwieriger Phasen noch nie einen Mieterausfall zu verzeichnen.
IG: In Europa sondieren Projektentwickler in Ermangelung anderer Kreditoptionen Long Income als Finanzierungsquelle. Im richtigen Sektor ist das für uns durchaus interessant.
Zum Teil ist die Bewertungsanpassung im Vereinigten Königreich auch eine Folge der Fälligkeitsentwicklung am DB-Markt. Steht dieser Anpassungsprozess erst am Anfang?
RB: Das ist ein sehr langwieriger Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist. Betrachtet man den Versicherungsmarkt unter Buy-out-Gesichtspunkten, hat dieser ein Volumen von ca. 50 Mrd. GBP pro Jahr. Das De-Risking in Bezug auf DB-Pensionspläne am Versicherungsmarkt wird sich über einen langen Zeitraum erstrecken. Wir sprechen da von einer Größenordnung von über 1,4 Bio. GBP.
Letztlich ist De-Risking ein Thema für viele DB-Pläne, die bereits Überschüsse erwirtschaften oder demnächst erwirtschaften werden. Noch einmal: Wegen des Ungleichgewichts bei Angebot und Nachfrage haben wir es mit einem Käufermarkt zu tun, sodass Versicherer ganz gezielt auswählen können. Bei manchen Plänen, bei denen dieser Punkt erreicht ist, wird man die Optionen sondieren und dann vielleicht zu der Entscheidung kommen, dass man weiter am besten damit fährt, alles weiterhin selbst in der Hand zu behalten.
KM: Interessant ist, dass im britischen Long-Income-Segment im vergangenen Jahr in nicht unerheblichem Umfang auch ausländische Fonds mitgemischt haben. In der Folge kam es zu einem Renditeanstieg, da ausländische Investoren für das Risiko, das sie übernehmen, höhere Renditen verlangen. Dies deutet darauf hin, dass wir es mit einem zweigeteilten Markt zu tun haben.
Die von Unternehmen getragenen DB-Pläne werden ein wichtiger Einflussfaktor am britischen Immobilienmarkt bleiben
Auch Local Government Pension Schemes (LGPS) haben mittlerweile Real Estate Long Income für sich entdeckt. Bei diesen Pensionsplänen stehen Immobilien, inflationsgebundene Strukturen und Vermögensverwalter mit einer langen Historie über verschiedene Marktzyklen, die auch ESG-Aspekten (Umwelt, Soziales, Governance) Rechnung tragen, hoch im Kurs. Aber die von Unternehmen getragenen DB-Pläne, insbesondere deren Desinvestitionsaktivität, werden noch einige Zeit ein wichtiger Einflussfaktor am britischen Immobilienmarkt bleiben.
RB: Man sollte dabei auch nicht vergessen, dass beitragsorientierte Pensionspläne aktuell zwar nur einen sehr geringen Marktanteil haben, der allerdings steigen wird. Defined Contribution (DC)-Pensionspläne können verstärkt in Immobilien investieren. Dies könnte zu den Cashflows beitragen, die sie zu Finanzierung ihrer Versorgungszusagen benötigen.
Gibt es noch andere strukturelle Veränderungen am Markt, die Anleger beachten sollten?
IG: Die britische Regierung prüft aktuell die Möglichkeit, für Großunternehmen Überschüsse in der betrieblichen Altersvorsorge zur Nutzung freizugeben, gewissermaßen als Alternative zu einem Pension Buy-out mit einer Ausgliederung der Pensionsverbindlichkeiten. Sollte dieses Kapital dann an den privaten Märkten eingesetzt werden, stehen wir vor einer interessanten Entwicklung. Den letzten Schätzungen des Pension Protection Fund zufolge hatten die Überschüsse Ende 2023 ein Volumen von 420 Mrd. GBP.3 Auch darauf sollte man im Vereinigten Königreich ein Auge haben.