In dieser Weihnachtsausgabe unserer monatlichen Reihe teilen unsere auf Investment-Grade- oder High-Yield-Anleihen, Schwellenländeranleihen oder internationale Staatsanleihen spezialisierten Teams ihre Einschätzungen zu einem Panoptikum von wichtigen Themen aus dem Anleiheuniversum.
Dieser Artikel beschäftigt sich mit folgenden Themen:
- Warum die gezielte Auswahl im High-Yield-Segment 2024 noch wichtiger wird
- Déjà-vu bei britischen Staatsanleihen?
- Was spricht dafür, im kommenden Jahr auf Rendite zu setzen?
- Wertvolle „Last Christmas“-Lektionen für Anleger in Schwellenländeranleihen
Herzlich willkommen zu einer weiteren Ausgabe von Bond Voyage, unserer Blog-Serie zu den Anleihemärkten, in der wir – ein gemischtes Team aus hartgesottenen Veteranen und jüngeren Mitgliedern unserer Anleiheteams – die Themen präsentieren, die in den Desks für Diskussionsstoff gesorgt haben. Dahinter steht eine ganz einfache Idee: Gedankenaustausch ohne Filter, keine Nennung von Fondsnamen, kein aggressives Marketing – und natürlich auch kein Abgesang auf Anleihen.
Feedback ist wichtig für uns. Wir freuen uns also über Kommentare dazu, was gut oder schlecht ist, ebenso wie über Anregungen zu künftigen Blog-Themen an: gcs.creditinvestmentspecialists@avivainvestors.com.
High-Yield-Anleihen: Gezielt auswählen, nicht nur jetzt bei den „Weihnachtseinkäufen“ am High-Yield-Markt
Mit attraktiven Renditen, anhaltend guten Fundamentaldaten bei den Unternehmen und starken technischen Faktoren (wie wir in unserer November-Ausgabe berichtet hatten) hat der High-Yield-Markt für Anleger zu Weihnachten durchaus einiges zu bieten.1 Mit Blick auf 2024 schaut der eine oder andere jedoch sorgenvoll auf die anstehende Refinanzierungswelle, im Fachjargon auch „Maturity Wall“ (Fälligkeitsmauer) genannt, wenn auf einen Schlag viele Anleihen fällig werden und deren Emittenten sich zum aktuellen Zinsniveau refinanzieren müssen.
Aus unserer Sicht sollte Ihnen jetzt jedoch allenfalls das Thema Weihnachtsgeschenke Sorgen bereiten. Verständlicherweise sind Anleger angesichts unsicherer gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen, eines längerfristig höheren Zinsniveaus und potenziell steigender Ausfallraten zurückhaltend. Wenn man sich allein an den Kapitalkosten orientiert, sind diese Ängste nachvollziehbar. Aktuell wird durchschnittlich ein Kupon von knapp sechs Prozent gezahlt, während die Renditen bei knapp neun Prozent liegen. Das ist eine enorme Herausforderung.
Die meisten in den kommenden zwei Jahren zu erwartenden Neuemissionen werden im goldenen Buch des Nikolaus auf der Seite mit den guten Dingen stehen
Unsere Analyse zeichnet jedoch ein positiveres Bild. Weniger als zwei Prozent des Index (Bloomberg Global High Yield xEM xCMBS 2% issuer capped, USD Hedged) werden Ende 2024 fällig, und auch wenn es sich dabei größtenteils um Anleihen mit CCC-Rating, der für einen Konjunkturabschwung anfälligsten Ratingkategorie, handelt, dürfte die 12-Monats-Ausfallquote im Bereich des langfristigen Mittels von vier bis fünf Prozent liegen. Die meisten in den kommenden zwei Jahren zu erwartenden Neuemissionen werden im goldenen Buch des Nikolaus jedoch auf der Seite mit den guten Dingen stehen. BB-Anleihen des oberen Qualitätssegments haben nicht nur bessere Fundamentaldaten vorzuweisen, sondern profitieren auch von geringeren Finanzierungskosten. Die große Refinanzierungswelle rollt zudem erst in den Jahren 2027 und 2028.
Bei Unternehmensanleihen am unteren Rand des Ratingspektrums dürfte sich die Weihnachtsfreude indes in Grenzen halten. CCC-Emittenten zahlen einen Kupon von etwa sieben Prozent, der damit bei weniger als der Hälfte des Marktzinses von rund 15 Prozent liegt. Kapitalkosten in dieser Höhe können oder wollen viele Emittenten nicht tragen, was einen Anstieg der Ausfälle in dieser Ratingkategorie wahrscheinlich macht. Selbst die Emittenten, die sich refinanzieren können, müssen einen enormen Anstieg der Zinsbelastung verkraften.
Anleger sollten daher nicht nur jetzt bei ihren „Weihnachtseinkäufen“ am High-Yield-Markt ganz genau auswählen. 2024 wird eine gezielte Auswahl noch wichtiger.
Abbildung 1: The high-yield maturity wall (per cent)
Source: Aviva Investors, Blackrock Aladdin. Data as of September 30, 2023.
Globale Staatsanleihen: Morgen kommt der Weihnachtsmann ...
Wenn Sie sich für die nächsten Jahre ein noch größeres Angebot an britischen Staatsanleihen gewünscht haben, kam der Weihnachtsmann bei Ihnen in diesem Jahr besonders früh. Die Haushaltspläne des britischen Finanzministers Jeremy Hunt, die dieser mit dem Autumn Statement vorgestellt hat, sehen als Wachstumsimpuls eine Kürzung des Beitrags zur Sozialversicherung um zwei Prozent vor.
Regierungen müssen einen schwierigen Spagat zwischen wohldosiertem Schuldenabbau zur Beruhigung der Märkte und Wachstumsförderung bewältigen
Dieser Haushaltsentwurf ist Spiegelbild des schwierigen Spagats zwischen wohldosiertem Schuldenabbau zur Beruhigung der Märkte und Wachstumsförderung, den Regierungen derzeit bewältigen müssen. Auch wenn dabei sofort Erinnerungen an das „Mini-Budget“ von September 2022 wach werden, ist aus unserer Sicht keine Neuauflage dieser Episode zu befürchten.
Allen voran, weil der Markt für britische Staatsanleihen heute wesentlich besser dasteht. Die Inflationsrate in Großbritannien hat sich halbiert, und Bankzinsen liegen heute 3,5 Prozent über dem Niveau von September 2022. Wenn auch auf absehbare Zeit mit anhaltend hohen Angebotsvolumina zu rechnen ist, sehen wir weiter rückläufige Inflationsraten und auch wieder sinkende Zinsen. Daher ist für 2024 ein weniger turbulentes und stabileres Marktumfeld zu erwarten, womit für uns als Anleger an den Rentenmärkten unser größter Weihnachtswunsch in Erfüllung ginge.
Abbildung 2: UK inflation and base rates (per cent)
Source: Aviva Investors, Bloomberg. Data as of November 30, 2023.
Investment-Grade-Anleihen: Nun freut euch ...
Für die meisten Anleger an den Rentenmärkten gab es in den letzten etwa zwölf Monaten nicht wirklich Grund zu großer Freude oder gar „Jubelliedern“. Ein schwieriges Wirtschaftsumfeld und geopolitische Risiken in Kombination mit der Mini-Bankenkrise im März hat viele hart gebeutelt, die jetzt auf ein besseres Jahr 2024 hoffen. Doch auch wenn Liquidität 2023 das Erfolgsrezept war, sollten Anleger unserer Ansicht nach 2024 auf Rendite setzen.
Auch ein ganz banaler Multi-Asset-Rentenfonds bringt gut acht Prozent. Renditen in dieser Größenordnung mit Investment-Grade-Anleihen versetzen Anleger in Weihnachtsstimmung. Auch so können große Geschenke aussehen. Ja, es gibt eine echte Alternative zu Aktien: Geldmarktanlagen, US-Treasuries mit kurzen Laufzeiten und US-Investment-Grade-Anleihen stecken den S&P 500 bei der Gesamtrendite alle in die Tasche.
Abbildung 3: All-in yields of equities and bonds (per cent)
Source: Aviva Investors, Bloomberg. Data as of November 28, 2023.
Vielen ist nicht klar, dass Anleihen auch ohne Wachstum weiter Erträge generieren, was bei dem aktuellen Makro-Narrativ leicht in Vergessenheit geraten kann. Ja, die Credit Spreads sind durch die Bank gesunken, insbesondere in den letzten Wochen, als sich am US-Markt alles um die Fragen „Wo geht die Reise hin?“ und „Besteht Hoffnung auf eine weiche Landung?“ drehte. Doch Anfang Dezember lag der optionsbereinigte Spread am breiten Investment-Grade-Markt in den USA noch bei 114 Basispunkten und damit auf einem Niveau, das der Markt seit Februar 2022, kurz vor der russischen Invasion der Ukraine, nicht mehr gesehen hat.
Bei IG sehen wir einer Fälligkeitsmauer gelassener entgegen als am unteren Rand des Bonitätsspektrums
Trotz höherer Finanzierungskosten können sich die Fundamentaldaten nach wie vor sehen lassen. Da die meisten Investment-Grade-Emittenten 2020 noch zu günstigen Konditionen langlaufende Anleihen begeben konnten, sehen wir hier einer Fälligkeitsmauer gelassener entgegen als am unteren Rand des Bonitätsspektrums.
Der Knackpunkt sind nach wie vor die Geldmarktzinsen im ersten Halbjahr 2024. So mancher Anleger mag sich die Frage stellen, warum er in ein Spread-Produkt investieren sollte, wenn er mit Geldmarktanlagen dieselbe Rendite erzielen kann. Diese Frage ist durchaus berechtigt. Dabei sollte der geneigte Leser sich jedoch vor Augen halten, dass sich die Zinsen zwar noch länger, aber nicht ewig auf einem höheren Niveau bewegen werden. Warum sollten Anleger sich daher nicht jetzt die höhere Rendite im Investment-Grade-Segment sichern?
Schwellenmärkte: Last Christmas
Nostalgie liegt in dieser Jahreszeit einfach in der Luft, mit all den Liedern und Songs, die alte Erinnerungen wachrufen. Wenn wir im Emerging Market Desk gerade vor unserem geistigen Auge Revue passieren lassen, welche Lektionen wir über die Jahre gelernt haben, und darüber nachdenken, welche Chancen wir für die Zukunft sehen, dann ist der melancholische Klassiker Last Christmas von Wham! der beste Soundtrack dazu.
This year, to save me from tears, I’ll give it to someone special
Wer mit Anlagen in Schwellenländeranleihen erfolgreich sein will, braucht einen langen Atem und muss seiner Philosophie treu bleiben, Chancen sehen, wo andere Risiken sehen und Risiken sehen, wo der Markt nur Chancen sieht.
Länder mit starken Institutionen haben die beste Ausgangsposition, um mit Schocks fertig zu werden
Ein erster wichtiger Aspekt ist die Bedeutung des institutionellen Rahmens und dessen Auswirkungen auf die Politik und politische Entscheidungen. Dieser Faktor ist wichtiger als das Wirtschaftswachstum oder andere makroökonomische Kennzahlen. Länder mit starken Institutionen haben die beste Ausgangsposition, um mit Schocks fertig zu werden, die in Schwellenländern keine Seltenheit sind.
Als zweite Lektion möchten wir Anlegern mit auf den Weg geben, dass es an Schwellenmärkten durchaus nicht ungewöhnlich ist, zuerst zu verkaufen und dann Fragen zu stellen, oder dass börsennotierte Fonds wahllos verkaufen (oder kaufen). Anleger sollten solche reflexartigen Reaktionen als Chance sehen. Das Härtwährungsuniversum zählt mehr als 60 Länder. Darüber hinaus können auch ausgewählte Anleihen in lokaler Währung, Anleihen quasi-staatlicher Emittenten und Unternehmensanleihen attraktiv sein. Verschiedene Länder können sich an unterschiedlichen Punkten im Bonitätszyklus befinden, unterschiedliche Reaktionsfunktionen haben und von Entwicklungen in einer Art und Weise profitieren, die nicht unbedingt auf der Hand liegt.
Once bitten and twice shy, I keep my distance, but you still catch my eye
Drittens ist die historische Entwicklung zwar keineswegs vernachlässigbar, da bei Ländern, die schon einmal ausgefallen sind, ein zweiter Ausfall wahrscheinlicher ist. Doch Anleger sollten sich den Blick davon nicht verstellen lassen, denn die Dinge können sich auch ändern.
Mit diesem dritten Punkt in Zusammenhang steht unser vierter Rat für Anleger, flexibel zu bleiben und sich nicht davor zu scheuen, die eigene Meinung zu ändern, wenn sich die Gegebenheiten ändern. Der Schwerpunkt liegt nach wie vor darauf, Chancen und Risiken zu identifizieren und zu bewerten. Sobald diese eingetreten sind, sollte man aber auch offen dafür sein, eine Neubewertung der Lage vorzunehmen. Die heutigen Risikoländer könnten die Chancen von morgen sein.
Schließlich sollte auch jede Art von Bias kritisch geprüft werden. Nur weil ein Land ein hohes Rating hat und allgemein als risikoarm gilt, heißt dies nicht, dass es ein gutes Risikoprofil hat. Auf die Bewertung kommt es an.
Maybe next year I'll give it to someone, I'll give it to someone special
Und wie sind die Perspektiven für 2024 und darüber hinaus? Aus unserer Warte wird mit einem auf längere Sicht höheren Zinsniveau in den USA eine Bottom-up-Analyse noch wichtiger. Bei steigenden Realzinsen in den Industrieländern besteht die Gefahr, dass Schwellenländer im Wettbewerb um Kapital den Kürzeren ziehen.
Am besten sieht es dabei noch für die Länder mit gesunden fiskalpolitischen Kennzahlen und einer soliden Wirtschaftspolitik aus. Und da sich die erste Zinsstraffungsphase nun ihrem Ende nähert, rückt die Fiskalpolitik in den Fokus. Länder, denen es gelingt, die richtige Dosis an Wachstumsimpulsen zu finden, ohne dadurch die Inflation anzuheizen und die Staatsfinanzen zu strapazieren, dürften attraktiver sein.
Auch wenn Ausfälle immer große Aufmerksamkeit auf sich ziehen, ist dieses Risiko bei den Anleihen der meisten Länder bereits eingepreist
Einen Zahlungsausfall noch einmal abzuwenden, könnte für High-Yield-Emittenten davon abhängen, ob sie Zugang zu multilateraler Finanzierung haben, bereit sind, mit dem Internationalen Währungsfonds zu verhandeln, und ob sie reiche Freunde oder Privatisierungsmöglichkeiten haben. Doch auch wenn Ausfälle immer große Aufmerksamkeit auf sich ziehen, ist dieses Risiko bei den Anleihen der meisten Länder bereits eingepreist.
Wir richten unser Augenmerk vor allem auf Länder, bei denen ein Risiko wesentlich höherer Finanzierungskosten bei Emissionen besteht und die Renditen erheblich steigen könnten. Mexiko ist hier ein gutes Beispiel. Das Land pumpt Milliarden in die Rettung von Pemex, des am höchsten verschuldeten Ölunternehmens der Welt. Die Verbindlichkeiten des Unternehmens belaufen sich auf über 100 Mrd. USD. Dies entspricht acht Prozent des mexikanischen BIP.
Das Erfolgsrezept für stetige Renditen ist unseres Erachtens eine Dreiteilung des Universums. Während die Spreads nicht besonders attraktiv erscheinen, sind die nominalen Renditen im historischen Vergleich durchaus einen Blick wert, insbesondere in Marktsegmenten am oberen Rand des Ratingspektrums. Die mittlere Kategorie bilden Hochzinsanleihen mit starken Fundamentaldaten. Bei diesen besteht nach wie vor Potenzial für ein ordentliches Renditeplus gegenüber Treasuries und Spielraum für eine weitere Spread-Verengung.
Am anderen Ende des Spektrums bieten Distressed-Papiere oder ausgefallene Anleihen ebenfalls Wertpotenzial für selektive Anleger. Anleger werden vielleicht erst dann wieder signifikantes Aufwärtspotenzial sehen, wenn erneut Kapital in diese Länder fließt und sich die Kerninflation stabilisiert. Doch dann könnten Länder wie Ägypten, das aus unserer Sicht ganz gut durchkommen wird, und Ecuador, das für sein politisches Risiko zu hart abgestraft worden ist, mittelfristig Chancen bieten.
Abbildung 4: Potential 12-month EMD returns if spreads tighten by 30 per cent (per cent)
Note: For illustrative purposes only, not intended to be an investment recommendation.
Source: Aviva Investors, Bloomberg. Data as of November 3, 2023.