Der High-Yield-Markt stellt sich auf längerfristig höhere Zinsen ein, und manche Emittenten könnten angesichts steigender Finanzierungskosten Probleme mit der Refinanzierung ihrer Verbindlichkeiten bekommen. Für selektive Anleger sollten sich 2024 jedoch Chancen bieten.
Dieser Artikel beschäftigt sich mit folgenden Themen:
- Die Auswirkungen höherer Zinsen auf den High-Yield-Markt
- Welche Emittenten könnten mit Heranrollen der Refinanzierungswelle (Maturity Wall) unter Druck geraten?
- Unser Ausblick für Ausfallquoten und Gesamtrenditen im Jahr 2024
Bei Anlegern in Risikoanlagen herrschte Ende 2023 große Erleichterung. Kurz vor dem Jahreswechsel konnten sie auf ein Jahr zurückblicken, in dem die viel beschworene Rezession doch ausgeblieben war. Die mit Hochzinsanleihen erzielte starke Gesamtrendite lag fast auf dem Niveau der Rendite in dieser Anlageklasse zu Jahresbeginn.1
Mit Blick auf 2024 sieht unser zentrales Szenario für die Anlageklasse folgendermaßen aus:
- ein anhaltend schwaches Wirtschaftswachstum bei weiter sinkender Inflation (auch wenn der Preisanstieg wahrscheinlich weiterhin über den Zentralbankzielen liegen wird). In der Vergangenheit war es für Unternehmen in einem solchen Umfeld geboten, ihre Bilanzen in Ordnung zu bringen („Credit Repair“) und Verbindlichkeiten zurückführen. Das sollte der High-Yield-Anlageklasse allgemein Auftrieb geben.
- Auch wenn wir regionenübergreifend perspektivisch eine Verstetigung der wirtschaftlichen Entwicklung sehen und Rezessionsängste vorerst wieder in den Hintergrund treten dürften, sind von der längeren Zinsstraffungsphase in manchen Sektoren rezessionsartige Effekte zu erwarten. So ist die Kombination aus höheren Finanzierungskosten, strengeren Kreditvergabestandards und geringerer Lohninflation im Sektor der zyklischen Konsumgüter bereits spürbar.
- Die Europäische Zentralbank und die US-Notenbank Federal Reserve dürften erste Zinssenkungen vornehmen. Davon sind jedoch angesichts des Ausgangsniveaus bei den Zinskosten keine wesentlichen positiven fundamentalen Auswirkungen auf Finanzierungskosten und Ausfallquoten zu erwarten.
Während der allgemeine gesamtwirtschaftliche Hintergrund weiter stabil bleiben und globale Hochzinsanleihen stützen dürfte, ist daher mit einem erhöhten idiosynkratischen Risiko zu rechnen, da sich der Verschuldungsgrad in manchen Sektoren auf einem hohen Niveau bewegt und Emittenten auf niedrigeres Wachstum umsteuern und sich zu höheren Kosten refinanzieren müssen.
Refinanzierung in einem Umfeld langfristig höherer Zinsen
Obwohl die Zentralbanken bereits vor über einem Jahr damit begonnen haben, die Zinszügel kräftig zu straffen, profitieren die meisten Emittenten von Hochzinsanleihen nach wie vor von den extrem niedrigen Festzinsen, zu denen sie in den Jahren 2020 und 2021 Anleihen begeben konnten.
Lediglich Neuemissionen haben sich durch die Zinserhöhungen verteuert: Die neuen Finanzierungskonditionen seit Beginn des Zinserhöhungszyklus Anfang 2022 kamen bisher bei weniger als zehn Prozent des High-Yield-Marktes zum Tragen. Damit liegen die Zinsdeckungsquoten nach wie vor deutlich über historischen Durchschnittswerten.
Dieser Positiveffekt wird jedoch bald verpuffen, wenn auslaufende Anleihen zu höheren Zinsen refinanziert werden müssen. Welche zusätzliche Belastung die Unternehmen damit verkraften müssen, wird deutlich, wenn man sich vor Augen hält, dass die aktuelle Marktrendite mehr als zwei Prozent über dem durchschnittlichen Kupon liegt. Die Kreditkennzahlen werden sich zwangsläufig verschlechtern, wenn die alten, günstigeren Finanzierungskonditionen auslaufen und sich die Unternehmen zu höheren Zinsen refinanzieren müssen, was die Schuldendienstfähigkeit der Emittenten strapaziert.
Angesichts des Refinanzierungsbedarfs bei den Unternehmen hat sich die Emissionstätigkeit 2023 intensiviert
Angesichts des Refinanzierungsbedarfs bei den Unternehmen hat sich die Emissionstätigkeit 2023 intensiviert. Dieser Trend dürfte sich in den nächsten Jahren weiter verstärken, da eine große Refinanzierungswelle auf die Unternehmen zurollt. Allerdings konzentriert sich der Refinanzierungsdarf auf das BB-Segment, und wir gehen davon aus, dass die meisten betroffenen Emittenten weiterhin Marktzugang haben werden
Die drastischsten Auswirkungen sind am unteren Rand des Bonitätsspektrums zu erwarten. CCC-Emittenten zahlen aktuell im Durchschnitt einen Kupon von gut sieben Prozent (Stand 27. November 2023), der damit bei etwa der Hälfte des Marktzinses von 14 Prozent für dieses Segment liegt.2 Kapitalkosten in dieser Höhe können und wollen viele Emittenten nicht tragen. Aus diesem Grund könnten CCC-Emittenten mit nur begrenztem Marktzugang zu kämpfen haben. Die Emittenten, die sich refinanzieren können, müssen einen enormen Anstieg der Zinsbelastung verkraften.
Dies dürfte zu verstärktem Liability Management in Form von „Uptier“-Transaktionen (Emission einer neuen besicherten Senior-Tranche), einer Erhöhung der Eigenkapitalquote oder eines Kapitalschnitts (Distressed Exchange) führen. Viele Emittenten werden diese Optionen jedoch nicht haben. Daher gehen wir von einer Erhöhung der Ausfallquote aus, sodass ein selektives Vorgehen für Anleger 2024 noch wichtiger wird.
Abbildung 1: Breakeven analysis
The relationship between spread movements, changing default rates and total returns (per cent)
Source: Bloomberg. Data as of November 30, 2023.
Abbildung 2: The maturity wall (per cent)
Benchmark shown is the Bloomberg Global High Yield xCMBS xEMG 2% capped index, USD hedged.
Source: Aviva Investors, Blackrock Aladdin. Data as of September 30, 2023.
Ausfälle und Renditeerwartungen
Trotz eines prognostizierten Anstiegs der Ausfälle wird dieser Faktor unseres Erachtens nicht zu massiven Verlusten führen. Wir sehen die Ausfälle 2024 insgesamt in einer Größenordnung von 4 - 4,5 Prozent, die damit im langfristigen Durchschnitt liegen. Angesichts des relativ niedrigen Kursniveaus von Anleihen im Index (unter 90 USD) mit durchschnittlich etwa 75 USD für CCC-Anleihen ist kein sprunghafter Anstieg der Verlustquoten bei Ausfall (Loss Given Default ‑ LGD) zu erwarten.
Abbildung 3: High-yield default rate, 1988-2023
Source: Aviva Investors, Moody’s, Barclays. Data as of September 30, 2023.
Der spürbare Renditeanstieg auf 8,5 Prozent beschert Anlegern nun zudem potenziell höhere Renditen. Mit dem Polster aus höheren Spreads und einem höheren risikolosen Zins können sie negative Schocks besser abfedern. Renditen von über acht Prozent sind relativ selten. Bei Renditen oberhalb dieses Schwellenwertes folgte in der Vergangenheit in dem darauf folgenden 12-Monats-Zeitraum eine Phase positiver Gesamtrenditen mit durchschnittlich zweistelligen Wachstumsraten.
Trotz attraktiver Gesamtrenditen liegen die Spreads jedoch nach wie vor im Bereich ihres historischen Durchschnitts
Trotz attraktiver Gesamtrenditen liegen die Spreads jedoch nach wie vor im Bereich ihres historischen Durchschnitts. Allein aus fundamentalen Gründen dürften sich die Spreads weiterhin nicht stark bewegen und nicht weiter absinken, auch wenn von technischen Faktoren Aufwärtsdruck ausgehen könnte.
Obwohl das Renditepotenzial von Hochzinsanleihen stark mit dem Wachstumsausblick korreliert, dürfte der aktuell höhere Anteil an bonitätsstärkeren Emittenten die Konjunktursensitivität der Spreadentwicklung dämpfen. Sollte sich das Szenario einer Konjunkturabkühlung konkretisieren, ist unserer Ansicht nach mit einer Ausweitung der Spreads von aktuell 400 Basispunkten (Bp.) auf 600-700 Bp. zu rechnen. In vergangenen Rezessionsphasen kletterten die Spreads auf über 800 Bp. Auf dem aktuellen Renditeniveau wäre eine positive Rendite für Anleger erst ab einer Spreadausweitung von mehr als 100 Bp. gefährdet (siehe Abbildung 1).
Prognosen, wann die Bewertungen ihren Höhepunkt erreicht haben werden, sind ein schwieriges Geschäft. Anlagen in globale Hochzinsanleihen zum jetzigen Zeitpunkt könnten daher ein attraktives langfristiges Renditepotenzial bieten.
Ein schrumpfender Markt
Beobachten sollte man 2024 auch die anhaltende „Schrumpfung“ des High-Yield-Marktes.
Diese Entwicklung nahm 2020 ihren Anfang, als der High-Yield-Markt eine wahre Flut von Fallen Angels (auf Junk-Niveau herabgestufte ehemalige Investment-Grade-Anleihen) erlebte. Allein die entsprechenden US-Emittenten brachten es auf ein Volumen von über 172 Mrd. USD.4 Damit verbesserte sich das Durchschnittsrating in diesem Segment. Der Großteil dieser Papiere hat jedoch mittlerweile sein Comeback im Investment-Grade-Segment gefeiert. Ende Oktober hat der Automobilhersteller Ford als letzter Emittent den Wiederaufstieg in die IG-Indizes geschafft.5
Seit seinem Höchststand im Juli 2021 ist der Markt um 18 Prozent oder rund 385 Mrd. USD abgesackt (siehe Abbildung 4).6 Damit ist der internationale High-Yield-Markt nun ungefähr auf die Größe zusammengeschrumpft, die er im zweiten Quartal 2015 hatte. Auch wenn in den nächsten Monaten mit höheren Emissionsvolumina zu rechnen ist, werden damit zum Großteil bestehende Verbindlichkeiten refinanziert, sodass der Markt insgesamt nicht wachsen wird.
Die Schrumpfung des Marktes hat für Anleger jedoch durchaus auch Vorteile. Das BB-Segment hat nun einen größeren und das CCC-Segment einen kleineren Gewichtungsanteil, was im Hinblick auf einen Konjunkturabschwung ein wichtiger Faktor sein könnte. Aus unserer Sicht sorgt die signifikante Schrumpfung des Marktes bei den Spreads/Kursen technisch für Auftrieb, da der Auswahlpool für Anleger erheblich kleiner geworden ist.
Wir sehen darin einen der zentralen Faktoren für die 2023 zu beobachtende Spreadausweitung. Diese Entwicklung ist Spiegelbild der Resilienz dieses Marktes in einem weiteren von Unsicherheit geprägten Jahr. Diese Resilienz dürfte 2024 anhalten.
Abbildung 4: The shrinking high-yield market (par value, $bn)
Bloomberg Global High Yield xEM xCMBS 2% issuer capped index, ($) market value.
Source: Aviva Investors, Bloomberg. Data as of September 30, 2023.