Nach 12 schwierigen Monaten erläutert Gregor Bamert die Aussichten für den Real Estate Debt-Markt im Jahr 2024.
Dieser Artikel beschäftigt sich mit folgenden Themen:
- Warum wir in diesem Jahr einen leichten Anstieg der Transaktionsvolumina erwarten
- Die strukturellen Veränderungen bei Gewerbeimmobilien
- Wo der Liquiditätsdruck am deutlichsten zu spüren ist
Immobilienanleger sahen sich 2023 mit großen Herausforderungen konfrontiert, als eine Kombination aus Inflationsschub, höheren Finanzierungskosten, schleppendem Wachstum und anhaltenden strukturellen Veränderungen in vielen Sektoren für Unsicherheit sorgte.
Der Einbruch am europäischen Markt für Gewerbeimmobilien sollte also kaum überraschen. Sinkende Immobilienbewertungen machten Anlegern zu schaffen, und die Zahl der Transaktionen sank auf ihr niedrigstes Niveau seit mehr als zehn Jahren.
Die Geldgeber am Markt für Real Estate Debt verschärften die Kriterien für die Kreditvergabe, und für Kreditnehmer wurde der Schuldendienst teurer. Dies könnte Folgen haben, die uns noch länger beschäftigen: CBRE warnt vor einer potenziellen Finanzierungslücke von 176 Mrd. EUR, denn die Kreditnehmer am Markt für Gewerbeimmobilien werden sich schwertun, die zwischen 2024 und 2027 fällig werdende Darlehen zu refinanzieren.1
Aus Risiken ergeben sich jedoch auch Chancen. Unter Anlagegesichtspunkten könnte sich mit den aktuellen Bewertungen eine attraktive Einstiegsgelegenheit bieten, so Gregor Bamert, Head of Real Estate Debt bei Aviva Investors. In dieser F&A-Runde erläutert Bamert zudem den Ausblick für Büroimmobilien und warum Kreditnehmer alternative Kennzahlen im Auge behalten sollten, um die Risiken im aktuellen Umfeld zu umschiffen.
Wie würden Sie die Finanzierungstätigkeit am Markt für Gewerbeimmobilien im Jahr 2023 beschreiben, und wie werden sich die Transaktionsvolumina Ihrer Einschätzung nach in diesem Jahr entwickeln? Wird wieder mehr investiert?
Die Aktivität am Real-Estate-Debt-Markt für Gewerbeimmobilien ist 2023 sowohl gegenüber dem Vorjahr als auch im Vergleich zum Fünfjahresdurchschnitt erheblich zurückgegangen.
Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens die zugrundeliegenden Transaktionsvolumina. In Großbritannien sind die Immobilienkäufe und -verkäufe um 40 bzw. 50 Prozent gesunken. Der zweite Grund ist der sogar noch stärkere Rückgang der Refinanzierungstätigkeit. Aufgrund der gesamtwirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten sind die Kreditnehmer vorsichtiger geworden. Dies hatte einen selbstverstärkenden Effekt: Durch den Transaktionsrückgang stieg die Unsicherheit im Hinblick auf die Bewertungen, was die Investmentzurückhaltung in Anlegerkreisen weiter verstärkte. Die Folge waren noch weniger Transaktionen.
Abbildung 1: Monthly investment volumes (12-month moving sum) and yields
Source: Aviva Investors, Colliers, January 2024.2
Aber die entscheidenden Wirtschaftskennzahlen zeichnen allmählich wieder ein klareres Bild, und damit fassen die Anleger wieder etwas Vertrauen. Darüber hinaus hat bereits eine kräftige Marktkorrektur stattgefunden, sodass die Gelegenheit für einen Einstieg an diesem Markt günstig ist.
Relativ gesehen erscheinen Debt-Investments im Immobilienbereich auf risikoadjustierter Basis günstiger bewertet als Aktien (siehe Abbildung 2). Am Debt-Markt war zu Jahresbeginn eine deutlich regere Finanzierungstätigkeit zu beobachten als im Vorjahr. Für 2024 rechnen wir mit einem spürbaren Anstieg der Transaktionsvolumina.
Abbildung 2: Relative value in real assets
Source: Aviva Investors. Data as of September 30, 2023.
In welchen Bereichen ist der Liquiditätsdruck am größten?
Die Lage ist weiterhin in vielen Bereichen angespannt. Analysten sprechen häufig von der Refinanzierungs- oder Fremdkapitallücke und beschreiben damit ein Szenario, in dem weniger Fremdkapital zur Verfügung steht als Kreditnehmer zur Refinanzierung benötigen, sodass es zu Liquiditätsengpässen kommt.
Ausschlaggebend für diese angespannte Liquiditätssituation sind drei wesentliche Faktoren. Einer dieser Faktoren ist Liquiditätsbedarf, der dann entsteht, wenn zur Aufwertung eines Gebäudes erhebliche Investitionen erforderlich sind. Dabei handelt es sich häufig um Objekte, die unter Nachhaltigkeitsaspekten noch nicht auf dem erforderlichen Stand sind und bei denen sich Investoren schwertun, ausreichend Kapital aufzubringen.
Mit den steigenden Zinsen und dem wirtschaftlichen Abschwung sind die Immobilienbewertungen deutlich gesunken
Der zweite Faktor sind strukturelle Veränderungen. Mit den steigenden Zinsen und dem wirtschaftlichen Abschwung sind die Immobilienbewertungen deutlich gesunken – im Vereinigten Königreich zwischen dem Höchst- und dem Tiefststand um 25 Prozent. Während der zyklische Effekt klar zu erkennen ist, hat der eher strukturelle Effekt der veränderten Nutzung, insbesondere bei Büroimmobilien, noch nicht voll durchgeschlagen. Weniger gefragte Büroimmobilien beispielsweise dürften unseres Erachtens weiter an Wert verlieren. Dies verschärft den Liquiditätsengpass, denn das Interesse der Aktienanleger an diesen Objekten wird sinken, und es werden sich weniger bereitwillige Kreditgeber finden.
Der dritte Faktor sind Mietvertragslaufzeiten und Mieterqualität. Wenn Mieter mit kurz laufenden Mietverträgen in Schieflage geraten und ihre Mieten nicht bezahlen können, stellt sich die Frage nach der Stabilität der Mieteinnahmen. Damit werden bestimmte Marktsegmente für Kreditgeber weniger attraktiv und der Liquiditätsdruck steigt.
Mit Blick auf die in diesem Jahr erwarteten Zinssenkungen, wie sind die sektorübergreifenden Aussichten? Welche Sektoren werden davon profitieren, und wo rechnen Sie mit weiteren Schwierigkeiten?
Wir sehen starke Fundamentaldaten im Bereich Wohnimmobilien, also bei Ein- und Mehrfamilienhäusern sowie Studentenwohnungen. Industrieobjekte, Lager in Stadtgebieten und Life Science-Standorte sollten von den längerfristigen strukturellen Veränderungen profitieren, daher dürfte der Toleranzbereich für die Schuldendienstkosten in diesen Sektoren größer sein.3
Die Mieten für Büroflächen in Spitzenlagen sind leicht gestiegen, und diese Entwicklung dürfte unseres Erachtens anhalten
Die Mieten für Büroflächen in Spitzenlagen sind leicht gestiegen, und diese Entwicklung dürfte unseres Erachtens anhalten. Dank ihrer Qualität und Ausstattung sind diese Objekte für Unternehmen weiterhin attraktiv. Bei Bürogebäuden, die diesen Kriterien – aufgrund ihrer weniger günstigen Lage oder anderer Nachteile – nicht entsprechen, wird der Miet- und Wertverfall auch künftig anhalten. Dabei handelt es sich nicht nur um eine Marktkorrektur, sondern um eine dauerhaft auseinanderlaufenden Entwicklung, die auf einen tiefergreifenden Wandel am Immobilienmarkt hindeutet. Hintergrund dafür sind Veränderungen wie mobiles Arbeiten infolge der Coronapandemie. In der Folge rechnen wir mit einer K-förmigen Erholung am Immobilienmarkt.
Wo wir gerade davon sprechen, in London hat es an Standorten wie im Stadtbezirk Canary Wharf bei großen Bürogebäuden Notverkäufe gegeben.4 Was sagt uns das über die Lage am Markt?
Einige der Londoner Büroobjekte, die in jüngster Zeit im Rahmen einer Zwangsvollstreckung verkauft wurden, sind zu einer Zeit gebaut worden, als das Thema Nachhaltigkeit noch weniger ernst genommen und ausladende Flächen geplant wurden, die für Investmentbanken oder Ähnliches geeignet sind. In vielen Fällen wurden diese Objekte im Laufe der Jahre nur minimal modernisiert, sodass Gebäude, deren Wert mit überschaubarem Aufwand hätte erhalten werden können, für Mieter inzwischen weniger attraktiv sind.
Es ist ein Fehler, eine Immobilie nur zu kaufen und darauf zu warten, dass sie an Wert gewinnt
Dies zeigt einmal mehr, dass es ein Fehler ist, eine Immobilie nur zu kaufen und darauf zu warten, dass sie an Wert gewinnt. Aktive Aufwertung von Gebäuden, damit sie für Mieter attraktiv bleiben, ist im aktuellen Marktumfeld der Schlüssel zum Erfolg.
Ein gutes Beispiel dafür ist Henrietta House, der europäische Hauptsitz von CBRE in der Nähe der Oxford Street. Die Modernisierung dieses Gebäudes haben wir im Rahmen eines Gemeinschaftsprojekts von Mieter und Vermieter finanziert. Hauptziel war die Schaffung eines Büros, wo die Mitarbeiter wirklich hinwollen und sich gerne aufhalten.
Welche Kennzahlen sollten Kreditgeber besonders im Auge behalten, wenn sie die Risiken in diesem weiterhin unsicheren Umfeld im Griff behalten wollen?
Risiken angemessen zu bewerten und zu umschiffen, erfordert einen Ansatz, der über die traditionellen Kennzahlen hinausgeht. So betrachten Investoren in der Regel den Beleihungssatz, die Höhe des Kredits im Verhältnis zum Verkehrswert der Immobilie, als wesentliche Risikokennzahl. Aber ein Beleihungssatz von 50 oder 60 Prozent sagt nicht wirklich viel über die Höhe des Risikos aus. In einem Umfeld rapider struktureller Veränderungen könnte ein Objekt auch mit einer Beleihungsquote von 50 Prozent in Schwierigkeiten geraten.
Es ist wichtig zu verstehen, wie wichtig ein Gebäude für das operative Geschäft des Mieters ist
Für Kreditgeber kommt es vielmehr darauf an zu verstehen, wie wichtig ein Gebäude für das operative Geschäft des Mieters ist und in Zukunft sein wird. Vereinfacht gesagt: Welche Rolle spielt es für das Geschäft, dass Menschen in diesem Gebäude arbeiten? Erst wenn diese fundamentale Frage geklärt ist, können sie sich Fragen wie der angemessenen Miethöhe, der Vertragsstruktur, der Bonität der Mieter und den traditionelleren Kennzahlen wie Beleihungssatz und Schuldendeckungsquote zuwenden.
Eine weitere wichtige Überlegung ist die Laufzeit des Darlehens. Aus Sicht des Investors ist im Hinblick auf das Reinvestitionsrisiko ein längerfristiges Exposure sinnvoll. Anleger, die kurzfristig investiert sind, etwa für einen Zeitraum von zwei oder drei Jahren, müssen am Ende der Laufzeit mit niedrigeren Renditen rechnen.